12. Dezember – Throwbackmonday mit Leopold Mozart

Es ist der 12. Dezember 1772. Leopold Mozart befindet sich mit seinem Sohn Wolfgang Amadé auf ihrer 3. Italienreise, genauer gesagt in Mailand. Er hat bei seinem Arbeitgeber, Graf Colloredo, nach langer Überzeugungsarbeit einen Reiseurlaub erwirkt, um dem immer noch recht jungen, 16-jährigen Ausnahmetalent bei der Komposition der Oper „Lucio Silla“ beistehen zu können.

mailand-1770

Es sind noch 2 Wochen bis zur Uraufführung und obwohl der junge Mozart wirklich hart arbeitet, läuft so einiges schief. Der Tenor, der den Titelhelden singen sollte, erkrankt und die Arien müssen an das Können eines minder talentierten Ersatzsängers angepasst werden.

In einem ausführlichen Brief berichtet Leopold Mozart über die arbeitstechnischen Kalamitäten und über Kleinigkeiten wie das Wetter, Eifersüchteleien etc. nach Hause, an seine Frau Anna Maria. Auffällig ist der intime, warme Ton, der zwischen den Eheleuten herrscht; der Leopold Mozart aber nicht davon zurückhält, seine Frau recht bestimmt aufzufordern, einen Brief an Madame D´Aste zu schrieben. Er schreibt ihr im Großen und Ganzen sogar den Worlaut des zu verfassenden Briefes vor. Ähnlich patriarchalisch klingt sein letzter, an „Nannerl“ gerichteter Absatz. Ansonsten ist er bemüht, über die Schwierigkeiten, mit denen Wolfgang Amadeus zu kämpfen hat, möglichst nicht allzu besorgniserregend zu berichten, er streut kleine Anekdoten ein und schließt seinen Brief mit zärtlichen Worten ab. Die Rechtschreibung erscheint aus heutiger Sicht etwas eigenwillig, doch war diese damals nicht so gefestigt wie heute; so schreibt der ansonsten sehr genaue und auf perfekte Form bedachte Leopold oft dasselbe Wort unterschiedlich, sogar in kurzen Abständen.

Mayland, den 12ten Decemb: 1772

Dein Schreiben vom 4ten erhielte heut richtig. wir befinden uns, sonderht: ich, Gott Lob in guter Gesundheit. unter diesen 8 tägen als dieser Brief nach Salzb: läuft hat der Wolfg: die gröste arbeit. denn die gebenedeyten theater=Personen lassen alles auf die letzten augenblicke ankommen. der tenor, so von Turin kommen wird, ist einer aus des Königs Capelle, und wird den 14 oder 15ten erwartet. dann müssen erst 4 Arien für ihn Componiert werden. Die Sgra: de amicis empfehlt sich euch beyden, sie ist mit ihren 3 Arien, die sie bis dermahlen hat, ganz ausserordent: zu frieden. der Wolfg: hat ihr ihre Haupt=Arie mit solchen Passagen gemacht, die neu und ganz besonder und erstaunlich schwer sind; sie singt solche, daß man erstaunen muß, und wir sind in der allerbesten freundschaft und vertraulichkeit mit ihr. Ich schreibe mit einer schlechten feder und dinte. die gute dinte hat der Wolfg: er schreibt auf einem andern dische. Wenn du wieder schreibst, so schreibe in den Umschlag an die Mdme: D´aste nur ein paar Wort. Zum Exempl:–

Ich bitte um Vergebung, daß mir die freyheit nehme ihnen allerliebste Madme: die Briefe an meinen Mann einzuschlüssen. Ich weis daß sie ihnen beständig über den hals lauffen, und von ihnen und dero H: gemahl viele Höflichkeiten empfangen. Ich empfehle mich beyden sammt meiner tochter und erbiethe ihnen meine geringe Dienste hier in Salzb: bey aller Gelegenheit, wo sie mich im Stande finden ihnen dienen zu können.

Heut vormittag war die erste RecitativProbe. die zweyte wird seyn wenn der tenor wird ankommen.

Wir hatten hier einige zeit immer Regenwetter. seit 3 tägen ist es recht schön und nicht kalt. wir haben in unserm Camin noch kein feuer angezündet. daß der Wolfg: der frl: Waberl die Menuet nicht gegeben, war ein fehler, den sie ihm verzeihen wird, wenn sie bedenkt, daß er ein flüchtiger Mensch ist, der leichtlich etwas in die vergessenheit bringt. warum er aber auf die frl: Barisani eher gedacht, ist eine ganz natürliche Ursache, die man zu sagen nicht nötig hat. Wir empfehlen uns allen guten freunden und freundinen in Salzb: in und ausser dem Hause von Herzen und küssen euch beyde so oft ihr wollt mit der theuersten versicherung, daß ich bis in das kalte grab ohnabänderlich seyn werde dein

Bewunder L Mzt

Wie gehet es mir der Mlle: Zezi, lernt sie? ist die Nannerl fleisig mit ihr? – – ich laß die Nannerl grüssen und ihr sagen daß sie fleisig exercieren soll: und daß sie die kleine Zezi mit fleiß und gedult lehren soll. Ich weis daß es zu ihrem eigenen Nutzen ist, wenn sie sich gewöhnt iemand anderen etwas gründlich und mit gedult zu zeigen. Ich schreib es nicht umsonst.

An dieser Stelle sei noch eine kurze Kostprobe aus Leopold Mozarts Humorverständnis eingestreut:

Mayland, den 18 ChristMth 1772

… Weinacht abend werden wir einem andächtigen Soupée bey H: v germani beywohnen, die sich euch empfehlen und euere Gegenwart wünschen. Morgen speiben, oha! speisen wir be H: v Mayr. …

Schließlich bricht der Tag der Uraufführung an.

Mayland den 26 Decb: 1772.

Eben stehen wir vom Mittag Essen be der Madme D´aste auf, wo ich itzt schreibe und die sich euch empfehlt. in etwa 2 oder 3 Stunden wird die opera anfangen.  Gott gebe seine Gnade! die Hauptprobe ist so gut vorgestern vorbeygegangen, daß wir den besten Erfolg hoffen können. …

Doch die Uraufführung wird zu einem Desaster. Die Sänger singen schlecht, kleinere Pannen überschatten den Gesamteindruck und insgesamt dauert die Oper viel zu lang. Anstelle eines begeisterten Applauses gibt es lediglich einen verhaltenen Beifall und Leopold Mozarts Traum, eine Anstellung für seinen Sohn in Italien zu ergattern, zestreut sich für immer.

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Die Zitate entstammen folgender Ausgabe: Mozart; Briefe und Aufzeichnungen, Gesamtausgabe; Herausgegeben von der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg; Gesammelt und erläutert von Wilhelm A. Bauer und Otto Erich Deutsch; Bärenreiter Verlag, Kassel, 1962

4 Gedanken zu “12. Dezember – Throwbackmonday mit Leopold Mozart

  1. Immer interessant, diese Episoden am Montag zu lesen! Und bequem, aus diesen riesigen Briefkonvoluten etwas aufbereitet zu bekommen. Und schön zu lernen, dass Papa Mozart auch so witzig war. Auf meiner Mozart-Kassette für Kinder damals erschien er immer nur als ein hartherziger Schleifer.
    Die Orthographie erscheint übrigens heute in den heutigen Zeiten der Social-Media-Postings nachgerade stringent!

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  2. Pingback: 05. Juni – Throwbackmonday mit Wolfgang Amadeus Mozart |

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