Jane Fonda – My Life So Far

Promi-Autobiographien umweht oft ein leichter Igitt-Faktor.

Denn allzu leicht unterstellt man ihnen die Frivolität, lediglich mit der oberflächlichen Sensationsgier ihrer Leser zu spielen, um so Geld auf die Konten ihrer berühmten Autoren zu spülen.

Gelegentlich entpuppen sich jedoch die Verfasser solcher Autobiographien als sehr spannende und gleichzeitig entspannte Persönlichkeiten, die ehrlich und reflektiert über ihr Leben nachdenken. Und wenn auch noch das Glücksmoment eintritt, dass sie in einer Zeit großer Umbrüche gelebt haben, kann es durchaus wertvoll sein, diese Zeiten durch ihre Augen zu erleben. Da nimmt man dann auch die etwas langatmige Beschreibung von Dreharbeiten, Castings, Partys oder sonstige erwünschte oder unerwünschte Nebenwirkungen des Promidaseins in Kauf.

Dafür wird man, neben den bereits erwähnten stillen Momenten der Einsicht, auch mit ausgefalleneren Erlebnissen belohnt: So etwa im vorliegenden Fall mit der Beschreibung des 59. Geburtstages von Jane Fonda: Diesen verbringt sie im Sattel, bei der Arbeit, die riesige Bisonherde ihres Mannes (gemeinsam mit Farmarbeitern) zusammenzutreiben. Ist doch mal ´was Anderes, an einem 59. Geburtstag! Die anschließende afterwork-Entspannungsphase verhilft ihr zur Einsicht, dass sie sich von besagtem, ihrem 3. Ehemann trennen sollte, was allein schon quantitativ eindrucksvoll, und, kennt man die näheren Umstände, recht gut nachvollziehbar ist… Aber genug des Spoilerns!

So viel sei noch verraten: Wer sich beim Lesen der Zitate, welche den einzelnen Kapiteln vorangestellt wurden, wundert, warum manche von der Sprachmelodie her so bekannt anmuten: Es sind Rilke Zitate – auf Englisch. Und allein diese unverhoffte Begegnung ist Grund genug, das Buch zu lesen…

Vorweg: ich habe großen Respekt vor Jane Fonda.

Die Biographie der zweifachen Mutter und engagierten Stief- bzw. Adoptivmutter zahlreicher weiterer Kinder zeigt eindrucksvoll, was intelligente Frauenpower bedeutet und wieviel Kraft es bedarf, sich über den Zeitgeist und die eigene familiäre Prägung zu erheben.

Neben der Organisation eines weit verzweigten Familienlebens, neben 49 Kinofilmen, zahlreichen Workout-Videos und Ratgebern beeindruckt Jane Fonda vor allem mit ihrem vielfältigen und mutigen gesellschaftspolitischen Aktivismus (von der Anti-Vietnambewegung bis hin zu wichtigen Gender- und Umweltagenden). Jahrzehnte lang war sie unermüdlicher Katalysator für politisches Gewissen und gesellschaftlichen Fortschritt. Mit sehr viel Energie und ihrem privaten Vermögen half sie, das Leben von tausenden Minderprivilegierten (Kriegsopfern, Veteranen, Frauen, Mädchen, armutsgefährdeten Menschen) erträglicher zu machen.

Über all dies berichtet sie in ihrer Autobiographie mit einer erstaunlichen Offenheit und vielen privaten Details. Ihr persönlicher Werdegang wird im Kontext der gesellschaftspolitischen Entwicklung reflektiert, was dem Buch zwar einige Längen verleiht, dieses jedoch insgesamt noch lesenswerter macht.

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Viel Zeit räumt sie auch ihrer Kindheit ein, die nur auf den ersten Blick privilegiert erscheint. Der Vater – ein berühmter Schauspieler, der nur selten zu Hause und auch dann unfähig ist, seinen Kindern und zahlreichen aufeinander folgenden Ehefrauen Liebe und Nähe zu schenken. Ein Vater, der abseits seiner Rollen, zwischenmenschlicher Kommunikation aus dem Weg geht und um dessen Liebe Jane bis kurz vor seinem Tod ringen muss.

Then there were his rages. They were not the Meditterranean, get-it -all-out-and-over-with variety. They were cold, shut-you-down, hard-to-come-back-from Protestant rages.

Die Mutter, die, selbst Opfer einer traumatisierenden Kindheit, ihren Kindern keinen Halt bieten kann und an der Lieblosigkeit des Vaters zerbricht. Ein tragisches Vorbild, dessen fehlende Kraft Jane zwar von klein auf spürt, das nichtdestotrotz der heranwachsenden Tochter das Muster einprägt, alles dafür zu tun, Männern im Allgemeinen und vor allem ihrem Ehemann zu gefallen, da nur und wirklich ausschließlich dessen Zuneigung und Billigung den Wert einer Frau bestimmt.

Nur so ist es zu erklären, dass Jane Fonda, diese kluge, aufgeweckte Frau, das Sinnbild politischen Engagements und gesellschaftlicher Progressivität, sich in ihrem Privatleben mit einer unvorstellbaren Selbstverständlichkeit und Totalität ihren Ehemännern unterwarf.

Als Angehörige einer Generation, für die bereits zahlreiche Errungenschaften der Emanzipation selbstverständlich scheinen, musste ich mich immer an die prägenden Erfahrungen aus Fondas Kindheit erinnern, um begreifen zu können, wie sie so lange in ihren Ehen ausharren und ihren Ehemännern Liebe und Vertrauen entgegenbringen konnte.

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Ehemann Nr. 1, der ihr in den 60-er Jahren verklickerte, dass eine Nicht-Akzeptanz seiner sexuellen Ausschweifungen, inklusive der von ihm eingefädelten „Dreier“ die Manifestation bourgeoiser Beschränktheit darstelle.

Ehemann Nr. 2, dessen politische Ambitionen und Projekte sie mit den Einkünften ihres Fitness-Imperiums (ca. 17 Mio. Dollar) ermöglichte – eine Großtat, für die er sich, trotz selbstverständlicher Annahme des Geldes, mit zahlreichen Affären und dem Vorwurf bedankte, bei ihren Fitness-Programmen gehe es ihr lediglich um die Befriedigung ihrer Eitelkeit.

Und schließlich, in einer Lebensphase, in der man sich dachte, sie wäre vor solchen Fehlern gefeit, Ehemann Nr. 3, der in ihr eine attraktive und interessante Reflexionsfläche für sein eigenes Leben (aber eben nicht mehr!) sah und wie selbstverständlich danach trachtete, für den Fall der Fälle rechtzeitig einen „Ersatz“ zu organisieren.

Bei Ehemann Nr. 1 und 2. schluckte ich erst. Als sie jedoch, nach profunder Reflexion ihrer ersten beiden Ehen die ersten Dates mit Nr. 3 beschrieb…

During dinner I again noticed that my words lay like droplets on an oil slick, never penetrating his surface. This vague indifference to what was not himself left me feeling unseen.

…hatte ich einen veritablen Kasperltheater-Flashback. Ich war versucht, wie ein hilfloses Kind „Tu es nicht!“ zu schreien – allein, es hätte nichts gebracht.

Irgendwie hatte es eine traurige Faszination, zuzusehen (bzw. zu lesen), wie eine reife und smarte Frau mit so viel Lebenserfahrung, sich wieder vollkommen aufgab. Da half es auch nicht, darüber nachzudenken, in welchem Ausmaß Janes lieblose Kindheit und die lieblosen Kindheiten ihrer (Ex)Partner zur fehlenden Balance in ihren Beziehungen beitrugen.

Etwas schmerzlindernd wirkte dann jedoch, gegen Ende der 3. Ehe, die sehr pointierte Aussage ihrer Tochter Vanessa:

 Why don´t you just get a chameleon and let it crawl across the screen?

– meinte sie trocken, als ihre Mutter sie bat, einen kurzen Film über ihr Leben zusammenzustellen.

Dieser doch sehr tragikomische Satz bringt die Autobiographie Jane Fondas auf den Punkt.

Sie ist sehr ehrlich, sehr kritisch – auch den eigenen Schwächen und Fehleinschätzungen gegenüber – und immer auf der Suche nach mehr Wissen und neuen Erkenntnissen – sodass sich am Ende doch noch ein kleines Happy End ausgeht.

Fazit: Eine Empfehlung an alle, die sich für die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche der letzten 60 Jahre interessieren und dafür einige Längen in Kauf nehmen.

Ein kleiner Hinweis zum Schluss: Das Buch liegt in deutscher Übersetzung, soweit ich es feststellen konnte, nicht vor.

 

4 Gedanken zu “Jane Fonda – My Life So Far

  1. Oh wie schön – sie ist eine meiner Ikonen. Ich mag sie wirklich sehr. Tolle Frau. Zusammen mit Redford bringt sie mich in Barfuss im Park immer wieder auf die Höhe, wenn es mir schlecht geht. Also da muss ich mich dann wohl erst mal noch etwas gedulden oder doch auf englisch lesen. LG und vielen Dank für den wunderbaren und sehr schön verfassten Tipp, Bri

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