13. März – Throwbackmonday mit Joseph II.

Der 13. März 1741 ist ein besonderer Tag im Leben Maria Theresias – nach 3 Töchtern schenkt sie endlich einem Knaben, dem lang ersehnten Thronfolger, dem späteren Joseph II. das Leben.

Heute in der fruhe zwischen 2 und 3 Uhr seynd Ihre Majestät die Königin zu Hungern und Böheim, Erz-Hertzogin zu Österreich, unsere Allergnädigste Landes-Fürstin und Frau eines schön- und wolgestalteten Ertz-Herzogen zu unaussprechlicher Fredue Allerhöchster Herrschaften wie auch zum höchsten Trost alhiesiger Inwohner und gesammter Köningl. Erbkönigreichen und Landen glücklichst entbunden worden; von welcher glücklichen Entbindung alsogleich der Ruf mithin ein immerwährendes Jubel-Geschrey durch alle Gassen noch bey eitler Nach erschollen. Von dieser glücklichen Entbindung seynd auch die Nachrichten mittels Abfertigung einiger Kammer-Herren, Truhsessen und respektive Expresso an unterschiedliche auswärtige Höfe abgefertigt worden. (Quelle: Wiener Diarium)

Die Geburt ist indes kein Dear-Diary-Moment für die Mutter: Maria Theresia trauert zu dieser Zeit noch um ihren Vater und auch um ihre unlängst verstorbene jüngste Tochter Karolina. Auch die Politik bereitet ihr große Sorgen. Der österreichische Erbfolgekrieg ist bereits im Gange: die Thronfolge Maria Theresias, die durch die Pragmatische Sanktion gesichert werden sollte, wird nicht restlos anerkannt. Die Habsburger müssen sich gegen eine starke Allianz zwischen Frankreich, Spanien, Bayern und Preußen behaupten. In diesem Zusammenhang absolviert der kleine Joseph, kaum halbjährig, seinen ersten wichtigen offiziellen Auftritt. Als die Lage sich nämlich im September zuspitzt, ersucht Maria Theresia vor dem ungarischen Reichstag in einer bühnenreifen Inszenierung mit ihm am Arm um Unterstützung. Die ungarischen Würdenträger sind tief bewegt und sichern – so die Legende – ihrer Kaiserin lautstark “ihr Leben und Blut“ zu. So pathetisch der Augenblick jedoch sein mag, vergessen sie nicht auf einen halblaut gemurmelten Zusatz „aber sicher nicht unser Geld“.

Der Erbfolgekrieg verläuft, nicht zuletzt dank der Unterstützung der 20.000 ungarischen Soldaten, relativ glimpflich. Das Habsburgerreich verliert zwar endgültig Schlesien sowie die Herzogtümer Parma und Piacenza, Maria Theresia schafft es jedoch, sich als Thronerbin ihres Vaters zu behaupten. Und der männliche Nachfolger ist auch schon da.

Der kleine „Pepi“ entwickelt sich recht vielversprechend. Er ist ein munteres, hübsches Kind, welches, entsprechend der wichtigen Rolle, die es einmal spielen soll, von einer Heerschar an Dienern umringt wird. Neben seiner Ausbildung wird auch auf seinen Gesundheitszustand und somit auf seine Körperpflege viel Wert gelegt. So muss er zweimal am Tag Hände und Mund waschen und einmal wöchentlich sogar die Füße. Zweimal die Woche kümmerte sich ein Zahnarzt um seine Mundpflege. Derlei gestärkt übersteht er 15-jährig sogar fast unbeschadet die sehr gefährlichen Pocken, die viele Menschen in seiner Umgebung dahinraffen.

Aber noch sind wir nicht soweit. Früh zeigt sich, dass das hübsche Kind durchaus seine Schattenseiten hat. Arrogant, besserwisserisch und altklug gilt der kleine Joseph am Hof nicht unbedingt als großer Sympathieträger. Maria Theresia lässt ein striktes Erziehungs- und Bildungsprogramm für ihn erarbeiten, das zuerst von Graf Batthyány exerziert wird – im wahrsten Sinne des Wortes, denn Joseph der II. behält sein Leben lang ein besonderes Faible fürs Militärische. Die Anstrengungen seiner Mutter, ihn zur religiösen Exzellenz im Sinne des Barockkatholizismus zu bewegen, zeigen jedoch eine konträre Wirkung – hier erwacht der Oppositionsgeist des Kindes, der seiner Mutter im Laufe der gemeinsamen Regentschaft noch viel Kummer bereiten wird.

Da sich die Lernfortschritte Josephs unzureichend entwickeln, werden neue Richtlinien erarbeitet und neue Lehrer eingestellt. Unter dem neuen Personal befindet sich Christian August Beck, der dem Jungen das Gedankengut der Aufklärung näherbringt. Dies so nachhaltig, dass Joseph II. als radikalster Reformer seiner Zeit berühmt-berüchtigt wird.  Sehr zum Leidwesen seiner Mutter und des Wiener Hofes, die mit der Auffassung des Mitregenten und späteren Kaisers, nämlich äußerste Sparsamkeit und Rationalität, wenig anzufangen wissen.

Aber noch kann Joseph keine Pläne umsetzen, lediglich von ihnen träumen. In einer Denkschrift mit dem etwas verharmlosenden Titel „Rêveries“ (Träumereien) formuliert er seine revolutionären Ideen, die seiner Mutter wahre Alpträume bescheren.  Bevor er sich jedoch ihrer Verwirklichung widmen kann, muss er 1764 die Krönungszeremonie zum römisch-deutschen König über sich ergehen lassen. Dabei macht er wahrlich keine gute Figur. Goethe, der die Zeremonie als junger Mann miterlebt, findet keine schmeichelnden Worte für ihn:

Der junge König hingegen schleppte sich in den ungeheuren Gewandstücken mit den Kleinodien Karls des Großen wie in einer Verkleidung einher, so daß er selbst, von Zeit zu Zeit seinen Vater ansehend, sich des Lächelns nicht enthalten konnte. Die Krone, welche man sehr hatte füttern müssen, stand wie ein übergreifendes Dach vom Kopfe ab…

Joseph II. interessiert an diesem Tag aber wahrscheinlich nichts weniger, als der Eindruck, den sein Kopf samt Krone hinterlassen. Er ist in tiefer Trauer um seine geliebte, unlängst verstorbene Ehefrau, Isabella von Bourbon-Parma. Zu seinem Glück dauerte die Ehe nicht lange genug, um herauszufinden, dass Isabella keinerlei Gefühle für ihn, sondern lediglich für seine Schwester Marie Christine hegte. So behält er sie in guter Erinnerung und findet seinerseits nichts dabei, seine zweite, von Maria Theresia verordnete Ehefrau Maria Josepha von Bayern äußerst gefühllos zu behandeln. Die, so das Originalzitat Joseph II. „kleine und dicke Gestalt ohne jugendlichen Reiz mit hässlichen Zähnen“, welche noch dazu an einer wenig attraktiven Hautkrankheit leidet, wird bis zum Äußersten negiert. Joseph II. lässt sogar auf dem einzigen gemeinsamen Balkon im Schloss Schönbrunn eine Trennwand hochziehen, um sie nicht sehen zu müssen. Maria Josepha stirbt zwei Jahre nach der Verheiratung, jungfräulich und einsam. Ihr Gemahl hält es nicht einmal für notwendig, an ihrem Begräbnis teilzunehmen.

Ehen Joseph II

Joseph II. – Isabella von Bourbon-Parma – Maria Josepha von Bayern

Zu diesem Zeitpunkt ist er mit Wichtigerem beschäftigt. Seit dem Tod seines Vaters im August 1765 ist er zum Mitregenten aufgestiegen, besitzt die Kaiserwürde und hat somit erstmalig die Möglichkeit, seinen revolutionären Ideen Taten folgen zu lassen. Als Universalerbe seines Vaters setzt er das gesamte Familienvermögen zur Sanierung des Staatshaushaltes ein – Familie und Hof sind fassungslos. Er kürzt Repräsentationsetats, sagt Bälle und Feste ab, hat kein Gefühl für barockes Schaugepränge. Er will für das Volk regieren, schafft es aber nicht, dieses zu verstehen. Dies spiegelt sich auch in seinem Leitsatz „Alles für das Volk, aber nichts durch das Volk“ wider.

Viele seiner Reformen sind aus heutiger Sicht durchaus positiv. Er will in erster Linie Wohlstand und Fortkommen für „seine“ Bürger sicherstellen. Er hebt die Leibeigenschaft auf, entfernt die Todesstrafe aus dem Zivilrecht, verbietet die Folter, gewährt den Protestanten, den Griechisch-Orthodoxen und den Juden Religionsfreiheit, öffnet den Prater und den Augarten für die Öffentlichkeit, lockert die Zensurbestimmungen, lässt Schulen, Krankenhäuser, Waisen- und Armenhäuser bauen und versucht, die Lebensumstände arbeitender Kinder zu verbessern.

Bei all dem stößt er jedoch auf enormen Widerstand. Dies und sein angeborener Hang, sich um jeden Preis durchzusetzen, entfremden ihn jedoch seiner Umgebung. Er wird zunehmend doktrinär, hart und zynisch, lässt weder Kritik, noch Kompromisse zu. Vergebens mahnt ihn seine Mutter:

Glaubst Du, daß Du Dir auf diese Art treue Diener erhalten wirst? Ich fürchte sehr, Du wirst in die Hände von Schurken fallen, die, um ihre Zwecke zu erreichen, sich gefallen lassen, was eine edle und Dir wahrhaft ergebene Seele nicht ertragen kann… Und was mich am meisten betroffen macht: Du sprichst so nicht in einer ersten Aufwallung, sondern vierundzwanzig Stunden, nachdem Du die Nachrichten erhalten hast: also nach reiflicher Überlegung hast Du Dich entschlossen, Personen, die Du doch selbst für die Besten hältst und die Du und zu erhalten Dich bemüht hast, mit Deiner Ironie und Deinen übertriebenen Vorwürfen einen Dolch ins Herz zu stoßen… Und es ist nicht der Kaiser, nicht der Mitregent, der solche beißende, ironische, boshafte Worte spricht, sie kommen aus dem Herzen Josephs: das ist´s, was mich beunruhigt, was das Unglück Deines Lebens sein und den Untergang der Monarchie und von uns allen herbeiführen wird… Es ist höchste Zeit, daß Du aufhörst, an Witzworten und geistreichen Bemerkungen Gefallen zu finden, die keine andere Wirkung haben, als andere zu kränken oder lächerlich zu machen und dadurch alle anständigen Menschen zu entfremden. Du bist eine Kokette des Geistes und wo Du diesen zu finden glaubst, läufst Du ganz urteilslos hinterher…

…so die beeindruckend weisen und sehr persönlichen Worte Maria Theresias. Man kann nur erahnen, welche Qual es für die als äußerst umgänglich, diplomatisch und warmherzig geltende Kaiserin bedeuten muss, ihrem Sohn dermaßen wenig Empathie, politischen Instinkt, und Respekt attestieren zu müssen.

Joseph II Andrea Schopf-Balogh

Maria Theresia mit Gemahl und Sohn – Krönungsmahl Joseph II. – Joseph II. mit seinem Bruder Leopold

Und im Laufe der Zeit wird es nur mehr schlimmer. Joseph der II. wird immer fanatischer, die Stimmung am Wiener Hof immer bedrückter.

Der Kaiser erklärt der in Österreich so mächtigen Katholischen Kirche einen veritablen Krieg, indem er rund 700 kontemplative Klöster auflöst, „abergläubische Gebräuche“ verbietet, die päpstliche Macht beschneidet und Friedhöfe aus den Städten verbannt. Selbst wenn Letzteres mit dem Ziel geschieht, einer Verseuchung des Grundwassers vorzubeugen, schafft er es nicht, seine Zielsetzungen verständlich und mit diplomatischem Gespür zu kommunizieren – sowohl seine Untertanen als auch die Eliten fühlen sich schikaniert und vor dem Kopf gestoßen. Den Vogel schießt er jedoch mit seinem „Josephinischen Gemeindesarg“ ab. Die im Volksmund nur „Sparsarg“ geschimpfte Vorrichtung verfügt auf der unteren Seite über eine Falltür, durch welche der in einen Leinensack gehüllte Leichnam unauffällig entsorgt und der Sarg somit wiederverwendet werden kann. Und das in einer Zeit und einem Land, in dem „a schene Leich“ mit zu den wichtigen Lebenszielen gehört! Der Aufstand ist vorprogrammiert, der „gottlose Erlass“ muss nach einem halben Jahr zurückgenommen werden. Ebenso die Besteuerung adeligen Grundbesitzes.

sparsarg

Joseph, mittlerweile verwaist, schwer desillusioniert, von einer Lungentuberkulose gezeichnet, nimmt pflichtbewusst noch am Türkenkrieg 1788 teil. Nach seiner Rückkehr baut er körperlich jedoch sehr stark ab.

Ich bin von dem Anteil gerührt, den Du an meiner Gesundheit nimmst. – so er an seinen Bruder und Nachfolger Leopold – Sie ist so schlecht, daß ich an keine Wiederherstellung mehr glaube. Das Atmen wird mir schwer und bei der geringsten Bewegung habe ich Herzklopfen und kann mich nicht rühren, weder zu Fuß noch zu Pferde. Dazu ein Schwäche die mich ermattet, daß mir die Beine versagen, der Puls niemals regelmäßig, weniger Schlaf; so bin ich und schleppe ich mich seit fast drei Monaten dahin…

Am 20. Februar 1790 stirbt er bloß 49 jährig – zur großen Erleichterung der Anhänger althergebrachter Traditionen. Die Befürworter der Aufklärung trauern jedoch. So bigott, undiplomatisch und überhastet er in vielen seiner Reformen war, war er doch ehrlich bemüht, überholte höfische Strukturen aufzubrechen und eine profunde Modernisierung in die Wege zu leiten.

Für mich ist er, der „König mit dem Hut“, so sein Beiname auf Ungarisch, da er sich nie zum ungarischen König krönen ließ, ein tragischer Held, dem ich seit meiner Kindheit viel Sympathie, aber auch Mitleid entgegenbringe. Einer, der Vieles verstand, aber scheitern musste, weil er nicht erkannte, dass es keine Modernisierung auf einem von oben verordneten Weg, an seinem Volk und  an den Eliten vorbei geben konnte. Sein Leitsatz „Alles für das Volk, aber nichts durch das Volk“ wurde ihm somit zum Verhängnis. So viele Reformen er auch umsetzte, verpasste er das Verständnis für die allernotwendigste Neuerung:  jene bei sich selbst – die Abkehr vom Absolutismus.

Bücher Joseph II

Die Zitate entstammen, sofern nicht anders gekennzeichnet, folgender Ausgabe: Hanne Egghardt; Maria Theresias Männer; Verlag Kremayr & Scheriau; 2015, Wien

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