Let´s go through this thing called New York

New York bedient sehr viele Klischees. Man kennt unzählige Bilder aus Filmen, Erzählungen und Nachrichten, sodass ein unvoreingenommener Blick auf die Stadt selbst für Rookies kaum möglich ist. Trotzdem gibt es einige Kleinigkeiten, die einen noch überraschen können. Diesen kleinen New York-Spleens ist mein heutiger Blogbeitrag gewidmet.

 

Alle Menschen sind frei und gleich

… und in Amerika wird diese Gleichheit immer wieder sehr intensiv thematisiert. Jeder hat (zumindest theoretisch) Anspruch auf gleiche Rechte und Freiheiten „ohne… Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, … Geburt oder sonstigem Stand“.

Natürlich gibt es sinnvolle Ausnahmen von diesem Gleichheitsanspruch. So können Kindern nicht immer die gleichen Rechte zugestanden werden, wie Erwachsenen (etwa beim Alkoholkonsum). Aber wer hätte gedacht, dass es auch den umgekehrten Fall gibt, jenen, in dem Erwachsene nicht tun dürfen, was Kindern zusteht? So gelten New Yorks Spielplätze als „Exklusive Kinderspielplätze“. Erwachsenen ist der Zutritt, so der offizielle Gesetzestext, „nur in Begleitung eines Kindes unter 12 Jahren“ gestattet.

new-york-playground

Bei Zuwiderhandeln drohen bis zu 90 Tage Gefängnis und bis zu $ 1.000 Geldstrafe. Grund für die strikte Regelung ist die Angst vor Kindesentführungen, die in New York wohl sehr ausgeprägt ist. So weit so verständlich aus der Sicht der Eltern. Ahnungslose Europäer jedoch, die zwar keine Kindesentführung im Sinn haben, aber eine dermaßen strikte Gesetzgebung weder kennen noch vermuten, könnten sich durch die vorgeschriebene Altersgrenze in einer sehr unangenehmen Situation wiederfinden. Nehmen wir das Beispiel meiner Schwester: Als Architektin plant sie regelmäßig Kinderspielplätze und besichtigt bzw. studiert daher bei jedem Städtetrip minutiös alle Klettergerüste, Schaukeln und Sandkisten, die sie nur erspähen kann. Gleichzeitig ist sie Mutter dreier fantastischer Kinder und ich kann mit Überzeugung behaupten, dass sie weder Interesse an fremdem Nachwuchs noch an gewaltsamer Aneignung des Selben hat. Man stelle sich nun die Absurdität eines Austausches vor, in dem sie einem aufgebrachten Polizisten erklären müsste, warum sie illegaler Weise auf einem Kinderspielplatz aufhältig ist, noch dazu mit einer höchst verdächtigen Kamera in der Hand!

Zum Glück hätte sie relativ hohe Chancen, mit einer Abmahnung davonzukommen. Es kommt äußerst selten zu Spielplatz-Anklagen: zu groß ist die Gefahr einer negativen Medienresonanz, wie im Falle jener sieben älteren Männer, die ihre Schachpartien auf einem spärlich besuchten Spielplatz genossen und sich anschließend vor Gericht für ihre Schandtat verantworten mussten. Oder einer älteren Dame, die ihren Donut auf einem Spielplatz verdrückte – die Gesellschaft kennt wahrlich gefährlichere Herausforderungen.

Für die Gerechtigkeitsfanatiker unter uns sei noch erwähnt, dass es auch den umgekehrten Fall von Altersdiskriminierung gibt. „Senior Citizen Areas“ sind Parkbereiche, die „für den stillen Genuss und die Sicherheit von Bürgern ab 65 Jahren eingerichtet wurden“.  Lässt sich nur hoffen, dass hier keine übermütigen 63-jährigen Rowdies verhaftet werden, die sich rücksichtslos und gesetzeswidrig auf einer Parkbank niederlassen, um dort ihre Sonntagszeitung zu lesen!

Aber bleiben wir noch im Park

… und zwar gleich bis zur Abendstunde. Jetzt wird uns auffallen, dass die zahlreichen Fahrradfahrer, die bei Dunkelheit unterwegs sind, nur fallweise über eine Beleuchtung verfügen und keine übermäßige Motivation zeigen, diese einzuschalten.

radfahrer

Die Straßenverkehrsordnung schreibt eine Lichtanlage für Fahrräder nicht verpflichtend vor. Und dies in dem Land, wo man kein Küchengerät kaufen kann, ohne dass die Plastikverpackung den Hinweis enthält, das Plastiksackerl ja nicht über den Kopf der Hauskatze, des Lieblingshundes oder des Erstgeborenen zu stülpen und besagte Lieblinge (weder mit noch ohne Plastiksackerl) auf keinen Fall in den Mikrowellenherd zu setzen. Dieser überall lauernden Gefahr wird mit absoluter Konsequenz entgegengetreten – aber die Petitesse einer Kollision mit einem unbeleuchteten Fahrrad mit bemerkenswerter Lässigkeit gehandhabt. Die fehlende gesetzliche Regelung hat gleich einen zweiten Effekt: da kein Dynamo angetrieben werden muss, kann man mit der gleichen Muskelkraft noch schneller umherzischen – der Stoff, aus dem die perfekten Überraschungsmomente sind!

Dem doch recht sparsamen Kräfteeinsatz der Radfahrer-Community steht ein schier schwindelerregender

Umgang mit Energieverbrauch

im Allgemeinen gegenüber. Wer es sich nur leisten kann, ist selbst in der Stadt mit einem SUV unterwegs und die Klimaanlagen sind nicht nur omnipräsent, sondern auf erbarmungslos niedrige Temperaturen eingestellt. Daher ist es selbst bei größter Hitze ratsam, einen Pullover mitzunehmen – dieser wird in Restaurants, Geschäften und U-Bahn-Garnituren gute Dienste erweisen. Das ist an sich noch keine Überraschung und hätte in diesem Blogbeitrag keine Erwähnung gefunden – aber unser Hotel hat es wider Erwarten geschafft, dem Konzept Energieverschwendung neue Aspekte abzugewinnen.

Und das geht so: Draußen hat es 31 °C, in der Hotellobby, dank der Klimaanlage, lediglich 19. Aber da man es für die Gäste doch gemütlich machen möchte, wird ein Kaminfeuer entzündet.

kaminfeuer2

An diesem kann man sich wieder aufwärmen. Aber Halt! In seiner Nähe wird es wieder zu heiß – also serviert man die an sich schon kalten Getränke in eisgekühlten Gläsern – kann man diese nicht mehr halten, ist ja das Feuer zum Aufwärmen da… Ein Teufelskreis, dem schwer zu entkommen ist. Aber wir versuchen es: ´raus aus der Lobby und hinein in die

U-Bahn Schächte

Hier gibt es, zur Abwechslung, keine Kühlung. Die Luft in den Wartezonen ist so heiß und stickig, dass ich mich wundere, warum Kreislaufkollapse keine epidemischen Ausmaße annehmen. Aber anscheinend sind die New Yorker die schlechte Luft gewohnt, das ist eine große Erleichterung. Während wir auf die nächste U-Bahn warten, haben wir Zeit, das Ambiente auf uns wirken zu lassen. Es ist ein eigenartiges Gefühl, in einer der modernsten Großstädte unterwegs zu sein, mit einem dermaßen altmodischen U-Bahn-Design. Weiß gekachelte Wände, wohin das Auge reicht. Und da fällt es plötzlich auf: KEINE WERBUNG weit und breit. Und das in New York! Wo doch selbst die Londoner Subway schon durch eine „Cats no Ads“ Aktion auf die quälende Werbeflut aufmerksam machen muss und selbst in kleineren Wiener U-Bahn-Stationen Leuchtwerbung, Plakate und Werbefernsehen das Blickfeld dominieren. Aber mitten unter New Yorker Erde – nichts, bloß charmante, kleine, weiße Jahrhundertwende-Kacheln. Augen und Geist wird ein wenig Ruhe gegönnt und so hat man  genügend Muße, nach niedlichen kleinen Nagetieren, vornehmlich Ratten, Ausschau zu halten und ihr Erscheinen zwischen den Gleisen jedes Mal mit einem kleinen erfreuten Ruf zu quittieren.

new-york-subway

Wenn wir schon in der U-Bahn sind, fällt auch auf, wie gering die Anzahl der aufgestellten

Mülleimer

ist. Die wenigen Behälter, die es gibt, liegen eher abgelegen, sodass man recht lange gehen muss, wenn man z.B. ein Taschentuch loswerden möchte. Jarred, unser ortskundiger Freund erklärt die Ursache: die logistisch suboptimale Platzierung der Mülleimer soll diese für Terroristen zum Bombenlegen unattraktiv machen.  Ich höre erstaunt zu und denke, dass die New Yorker wieder einmal übertreiben. Leider gehen nicht einmal eine Woche später Rohrbomben in einer Mülltonne in Chelsea hoch. Tote gibt es Gott sei Dank keine, vielleicht wegen der strategisch geschickten Platzierung…

Aber gehen wir lieber schnell weiter. Am Besten in bequemen Schuhen. Diese werden auch von den New Yorkerinnen bevorzugt. Im Straßenbild herrschen

Ballerinas

vor, man sieht kaum Stöckelschuhe, außer vielleicht im Financial District. Das wirkt sehr entspannt und ist, bei den langen Strecken, die man zurücklegen muss, auf jeden Fall gesund. So, damit wäre jetzt auch der weibliche Part abgehandelt – zum Schluss noch eine kleine kulinarische Anmerkung.

Essen ist oft eine brotlose Kunst

in New York. Bestellt man zum Frühstück irgendeinen „Special“ in einem Diner, so ist natürlich alles dabei: Eier und Kartoffeln und Toast und süße Waffeln – oft alles auf dem selben Teller serviert. Dies scheint für die Einheimischen völlig normal, erfordert jedoch, von der mengenmäßigen Herausforderung abgesehen, auch eine gewisse Geschicklichkeit, um die verschiedenen Geschmacksrichtungen nicht durcheinander zu bringen.

breakfastScheitert man, so ist es auch nicht tragisch: neue innovative Geschmackskombinationen wie Zimtkartoffeln sind das unerwartete Ergebnis, die dem Kampf gegen das einsetzende Völlegefühl wieder Schwung verleihen können.

Aber wehe man bestellt à la carte! Solche Bestellungen werden penibelst wortwörtlich genommen und der Wunsch nach 2 Spiegeleiern mit 2 Eiern ohne Toast quittiert – und ohne die Frage, ob man welchen bekommen möchte. Zu Mittag ist es nicht anders. Ein Salat ist ein Salat und es wird stillschweigend angenommen, der Besteller verzichte auf jegliche kohlenhydrathaltige Begleitung. Erst beim Italiener gibt es wieder das gute alte Weißbrot ungefragt.

Aber nach Meckern sollte sich mein heutiger Beitrag nicht anhören. Denn natürlich hat man die Möglichkeit nach dem Brot zu fragen. Und man findet immer einen Mülleimer, auch wenn er ein wenig entlegen sein sollte. Und wenn es kalt ist, gibt es Pullover. Und die Radfahrer bremsen immer und dies meist mit Erfolg. Und die Ratten bleiben zwischen den Gleisen… Die Besonderheiten, die ich hier zusammentrug, sollen New York nicht in einem schlechten Licht erscheinen lassen, sondern bloß seine Besonderheiten zeigen – kleinere und größere Spleens, wie bei einer schrulligen alten Dame, die man liebt und für ihren eigenwilligen Charakter insgeheim bewundert. Denn eines ist sicher: New York ist eine faszinierende Stadt, die es einem sehr leicht macht, sie zu lieben und zu bewundern.

2 Gedanken zu “Let´s go through this thing called New York

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